Karl Becker – Dekan, General, Chef des Heereswaffenamtes

14.12.1879 - 8.4.1940

Karl Becker zählte zweifelsfrei zu den einflussreichsten Figuren der Rüstungsforschung im Dritten Reich. Die Anfänge seiner Karriere reichen zurück bis 1909, als er sein Studium an der Militärtechnischen Akademie (MTA) abschloss. Anschließend war er bis 1911 an der gleichen Institution in Berlin als Assistent im Laboratorium seines Mentors, des Ballistikers Carl Cranz, tätig. Danach wechselte Becker in die Artillerie- und Prüfungskommission des Heeres (APK). Nach der Auflösung der APK infolge des Ersten Weltkriegs wurde die Inspektion für Waffen und Gerät (IWG) als Nachfolgeinstitution gegründet. Aus der IWG ging 1926 das Heereswaffenamt (HWA) hervor.[1] In diesen Institutionen hat sich Becker Schritt für Schritt hochgearbeitet, bis er schließlich 1938 Leiter des HWA wurde: Er war ab 1916 Referent für Ballistik, ab 1926 Leiter der Abteilung für Ballistik und Munition in der Amtsgruppe Prüfwesen und ab 1932 Leiter der gesamten Amtsgruppe Prüfwesen.[2]

Karl BeckerKarl Becker, Bundesarchiv, Bild 183-H27401 / lizenziert unter CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Becker hat zwischen 1919 und 1922 parallel zu seinen oben genannten Tätigkeiten an der TH Berlin Chemie und Hüttenkunde studiert. Am HWA unterstützte der spätere General die Kampfgas- sowie die Raketenforschung. Außerdem versuchte Becker die wehrtechnische Lehre zu stärken, ein Ziel, das auch Carl Cranz gleich nach dem Ersten Weltkrieg verfolgt hatte.[3] Diese Bestrebungen führten dazu, dass das ballistische Laboratorium von Carl Cranz und das Institut des Sprengstoffchemikers Otto Poppenberg während der Weimarer Zeit an die TH Berlin angegliedert wurden, wo sie zu „wissenschaftlich-technischen Ausbildungszentren für die Reichswehr“ wurden.[4] Diese zwei Einrichtungen bildeten die Grundlage der 1933 eingeweihten und bis 1935 unter den Tarnnamen „Fakultät für Allgemeine Technologie“ bekannten Wehrtechnischen Fakultät (WTF). Becker wurde zum ordentlichen Professor und ständigen Dekan der neuen Fakultät ernannt.

Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte Becker 1938 als er Leiter des HWA wurde. Ob seine Ziele, die wehrtechnische Lehre zu stärken und die Vernetzung von Hochschule, Militär und Forschung zu fördern erfüllt wurden, bleibt fraglich. Die Versuche, die WTF bis zum Kriegsende neu zu organisieren, sind gescheitert. Die WTF erfüllte vorzugsweise die Aufgabe, Forschungaufträge für das HWA zu bearbeiten, was womöglich zulasten der Lehre ging.[5] Karl Becker, der für die enge Beziehung zwischen HWA und TH Berlin eine entscheidende Rolle gespielt hatte, beging 1940 Selbstmord. Sein Tod trug möglicherweise auch dazu bei, dass während des Krieges die ambitionierten Pläne rund um die WTF nicht vollständig umgesetzt wurden.

[1] Flachowsky, Notgemeinschaft, S. 159.
[2] Grüttner, Lexikon, S. 20.
[3] Flachowsky, Notgemeinschaft, S. 160f.
[4] Ebd., S 161.
[5] Ebert / Rupieper, „Technische Wissenschaft“, S. 476-487.


Literatur

Ebert, Hans; Rupieper, Hermann-Josef: „Technische Wissenschaft und nationalsozialistische Rüstungspolitik. Die Wehrtechnische Fakultät der Technischen Hochschule Berlin 1933-1945″, in: Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der Technischen Universität Berlin 1879-1979, Bd. 1, hrsg. von Reinhard Rürup, Berlin, Heidelberg, New York 1979, S. 469-494.

Flachowsky, Sören: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart 2008.

Grüttner, Michael: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, Heidelberg 2004.