Walther Moede – Charakterliche Prüfung im Zuge der Entnazifizierung

1888—1958

Bild fehltWalther Moedes Grab in Berlin Spandau, Foto: Evergreen 68 - Eigenes Werk,CC-BY-SA 4.0

Biographie

Walther Moede, 1888 geboren in Sorau, war ein Hochschullehrer und Arbeitspsychologe. Nach seinem Studium der Philosophie, Psychologie und Pädagogik in Leipzig, Straßburg und Berlin diente er von 1915 bis 1918 im Ersten Weltkrieg. Danach habilitierte er an der TH Charlottenburg. Im gleichen Jahr gründete er dort zusammen mit Georg Schlesinger das Institut für industrielle Psychotechnik. Zunächst als hauptamtlicher Dozent und ab 1921 als außerordentlicher Professor lehrte Moede Arbeits- und Wirtschaftspsychologie.

Im Zuge der Entnazifizierung wurde er im Herbst 1945 von der TH Charlottenburg ausgeschlossen. In den darauffolgenden Jahren kämpfte er für seine Entlastung. Ab 1950 war er Professor für Arbeitspsychologie an der Humboldt Universität Berlin. An der Verwaltungsakademie in West-Berlin lehrte er als Dozent von 1951 bis zu seinem Tod 1958.[1]


Entlassung aus politischen, fachlichen und „ähnlichen" Gründen [2]

Moede wurde im Herbst 1945 entlassen, nachdem auf Befehl der britischen Alliierten alle ehemaligen Parteimitglieder von ihren Stellen entfernt werden sollten. Nach seinem Einspruch wurde der Fall erneut geprüft. Dennoch erhielt er im Februar 1946 sein Entlassungsschreiben. Moede reagierte mit Briefen und Schreiben von Fürsprechern darauf. So zeigt der Fall die Argumente beider Seiten. In den Entnazifizierungsverfahren wurden die Professoren nach drei Kriterien bewertet: nach ihrer politischen Gesinnung, was zu allererst die Parteimitgliedschaft und die Mitgliedschaft und Dienstgrade etwa in der SS beinhaltete, nach ihrer fachlichen Qualifikation, womit auch der wissenschaftliche Nutzen für die Universität gemeint war, und nach charakterlichen Kriterien,was von besonderer Brisanz war, weil hier Kollegen über Kollegen urteilten.

Im Entlassungsschreiben von Moede fällt auf, dass die politische Gesinnung nur kurz angesprochen wird und „sonstigen Gesichtspunkte [...], die für die Technische Hochschule und deren Neuaufbau für diese selbst maßgebend im Vordergrund stehen müßten" stärker gewichtet wurden.[3]

Bild fehltBild fehltBild fehltRektorat TH Berlin an das Magistrat Berlin betreffend der Ausscheidung von Herrn o. Prof Fritz Schmidt und Herrn a. o. Prof. Walther Moede, Universitätsarchiv der Technischen Universität Berlin: Mappe K XIII./1, 1946, S. 194—196


Politische Gesinnung

Walther Moede war von 1935 bis 1943 Mitglied der NSDAP. Im Entlassungsschreiben wird jedoch kein Datum des Eintritts genannt.[4]

Moede versuchte in seinem Brief, seine nicht nationalsozialistische Gesinnung glaubhaft zu machen. So gab er an, dass ihm 1935 durch die Nationalsozialisten gekündigt worden sei, er allerdings durch Unterstützung von Willi Willing in seiner Stelle bleiben durfte. Auch sein Eintritt in die Partei sei nach seinen Angaben ohne sein Wissen und Wollen und nur durch den damaligen Rektor Achim von Arnim erfolgt.[5] Außerdem behauptete Moede, er sei 1943 aus der Partei ausgeschlossen worden. Er sei politisch missliebig gewesen. Grund hierfür war, nach seinen eigenen Angaben, seine Habilitation unter Professor Schlesinger und seine Bekanntschaft mit einigen jüdischen Mitarbeitern, was ihn zum „Judengenosse" gemacht hätte.[6]

Im Entlassungsschreiben entkräftete der Sonderausschuss diese Argumente. Er hätte sich weigern können, in die Partei einzutreten, so wie andere Professoren das auch getan hätten. Die eidesstattliche Erklärung, die den Ausschluss aus der Partei beweisen sollte, zweifelte der Sonderausschuss an, da sie von einer „nahestehenden Person" verfasst worden sei.[7]


Fachliche Qualifikation

In dem Entlassungsschreiben sahen die Verfasser kein Bedürfnis der Industrie nach dem Fortbestehen des Fachbereichs Psychotechnik und bewerteten damit das Fachgebiet als an der TU Berlin nicht notwendig. Moede reagierte darauf mit Schreiben von Fürsprechern, die ihn als „unermüdliche Arbeitskraft" darstellten, für die „kein qualitativ besserer und international bekannter Vertreter gefunden werden kann".[8] Der Ausschuss blieb jedoch dabei, Moede zu entlassen. Schaut man sich das Entlassungsschreiben an, so scheint die Bewertung von Moedes Charakter und seines Zusammenspiels im Kollegium am Ende wichtiger für den Sonderausschuss gewesen zu sein, um die britischen Alliierten von der Richtigkeit ihrer Entscheidung zu überzeugen.[9]


Charakterliche Bewertung

Moede sei „ein in vieler Beziehung nicht erfreuliches Mitglied des Lehrkörpers der T.H.", hieß es in dem Entlassungsschreiben. Zudem hätte er „Schwierigkeiten [...] mit jeder Stelle und auch mit der T.H." gehabt. Hier wird eindeutig auf seinen Charakter verwiesen, der als Argument für seine Entlassung dienen soll. Auch sein Ausscheiden aus der Partei begründet der Sonderausschuss in dem Schreiben mit diesen „Schwierigkeiten", die Moede gemacht habe. Zudem wurde Moede vorgeworfen „ein nicht zutreffendes Bild über die damaligen Vorgänge" gegeben zu haben und damit zu lügen. Auch im Umgang mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen wurde ihm charakterliche Schwächen vorgeworfen: So lägen Forschungsergebnisse vor in „welchen er gewisse angebliche Forschungsresultate auf dem Gebiet der Psychologie in äußerst geschmackloser und unstatthafter Weise ausnutzt[e]". [10]

Walther Moede wurde trotz seiner mehrfachen Einsprüche und Fürsprecher-Briefe entlassen und lehrte auch in späteren Jahren nicht an der TU Berlin.

[1] Spur, Industrielle Psychotechnik, S. 21—201.
[2] Götz, Entlassung des Lehrkörpers, S. 218.
[3] Rektorat TH Berlin, Entlassungsschreiben, S.195.
[4] ebd., S. 195.
[5] Spur, Industrielle Psychotechnik, S. 419.
[6] ebd., S. 419.
[7] Rektorat TH Berlin, Entlassungsschreiben, S. 194.
[8] Spur, Industrielle Psychotechnik, S. 492.
[9] Götz, Entlassung des Lehrkörpers, S. 225.
[10] Rektorat TH Berlin, Entlassungsschreiben, S. 195.


Literatur

Götz, Vera: „Die Entlassung des Lehrkörpers an der Technischen Hochschule Berlin aus politischen, fachlichen und 'ähnlichen' Gründen in der unmittelbaren Nachkriegszeit", in: REVISTA de Filosofie, Sociologie şi Ştiinţe Politiere, Ausgabe 1 (170), Chişinău 2016, S. 218—226.

Rektorat TH Berlin an Magistrat der Stadt Berlin, Entlassungsschreiben, Universitätsarchiv der Technischen Universität Berlin: Mappe K XIII./1, 1946, S. 194—196.

Spur, Günter: Industrielle Psychotechnik - Walther Moede. Eine biographische Dokumentation, München 2008.