Rudolf Mentzel – Forschungskoordinator im „Dritten Reich“
28.4.1900-4.12.1987
Nach einem halbjährigen Militärdienst nahm der in Bremen geborene Mentzel 1919 ein Chemiestudium in Göttingen auf, das er 1925 mit einer Promotion abschloss, um im Folgejahr eine Stelle als Privatassistent am selben Ort anzutreten. Gemeinsam mit dem Leiter der anorganischen Abteilung, Gerhart Jander, führte Mentzel im Auftrag des Heereswaffenamtes geheime Forschungen zu chemischen Kampfstoffen durch.[1] In Göttingen wirkten er und Jander zudem an der Organisierung der NS-Bewegung mit: Mentzel war 1922/23 in die SA und 1925 in die NSDAP eingetreten und stieg in der Folge zum Göttinger Kreisleiter auf.[2] Der SS schloss er sich im Juni 1932 an, wo er es bis zum SS-Brigadeführer brachte.[3] Ab 1933 folgte eine steile Karriere: Nach seiner – auf politischen Druck zustande gekommenen –[4] Habilitation erhielt Mentzel die Stelle eines Abteilungsleiters im Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie. Ein Jahr darauf arbeitete er zudem als Referent für Naturwissenschaften im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM), wo er ab 1939 zum Amtschef Wissenschaft aufsteigen konnte.[5]
Prof. Rudolf Mentzel, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Fot. Heimischer, Bundesarchiv via Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0
Administrative Führungspositionen bekleidete Mentzel nicht nur im Ministerium. Sein Engagement in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertiefte er von 1941 bis 1945 als zweiter Vizepräsident. Zudem bekleidete er von 1936 bis Kriegsende die Position des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft und gestaltete ab 1939 die Politik des im Zuge des Vierjahresplans gegründeten Reichsforschungsrats (RFR) zunächst als Vizepräsident, später als Leiter des Geschäftsführenden Beirats, aktiv mit. In diesem Gremium war Mentzel der durchsetzungsstarke Kopf mit einer glänzenden Vernetzung in alle zentralen Stellen der reichsweiten Forschungskoordination.[6]
Neben seiner forschungspolitischen Tätigkeiten war Mentzel auch Angehöriger der neu gegründeten Wehrtechnischen Fakultät (WTF) der TH Berlin. 1933 zunächst als Privatdozent beschäftigt, erhielt er ein Jahr darauf eine Stelle als nichtbeamteter außerordentlicher Professor, um 1935 unter Mitwirkung Karl Beckers bereits zum Ordinarius für Wehrchemie berufen zu werden,[7] eine Stellung, die er bis 1939 innehatte. Im Anschluss erhielt er bis Kriegsende eine Honorarprofessur.
Am Kriegsende nahmen die amerikanischen Streitkräfte Mentzel gefangen. Er verblieb bis 1948 in Internierungshaft. Im anschließenden Spruchkammerverfahren stufte ihn das Spruchgericht Bielefeld als Minderbelasteten (Gruppe III) ein und verhängte eine zweieinhalbjährige Gefängnisstrafe, die allerdings mit der vorausgegangenen Internierungshaft als verbüßt galt.[8]
Mentzel machte als „Alter Kämpfer“ eine steile Karriere im NS-Staat. Gleichwohl verdankte Mentzel dies nicht nur seiner frühen Parteimitgliedschaft. Entscheidender war, dass der „nüchterne 'Machttaktiker' Rudolf Mentzel“ als SS-Mann zentrale Schaltstellen im Ministerium, dem RFR und der KWG besetzte und so die Wissenschaftslandschaft prägte.[9]
[1] Schmaltz: Kampfstoff-Forschung, S. 57f.
[2] Flachowsky: Notgemeinschaft, S. 150.
[3] Schmaltz: Kampfstoff-Forschung, S. 57.
[4] Ebd., S. 58f.
[5] Grüttner: Lexikon, S. 117.
[6] Flachowsky: Notgemeinschaft, S. 148.
[7] Ebd., S. 151f.
[8] Rasch: „Mentzel“.
[9] Flachochwsky: Notgemeinschaft, S. 154.
Literatur
Flachowsky, Sören: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart 2008.
Grüttner, Michael: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, Heidelberg 2004.
Rasch, Manfred: „Mentzel, Rudolf“, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 96-98 [Onlinefassung].
Schmaltz, Florian: Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie, Göttingen 2005.